Die Geigerin Sonia Eun Kim ist seit 2017 Mitglied des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Die Kölnerin mit koreanischen Wurzeln spricht in einem Interview über Schubert, das Corona-Leben ohne Dienstplan und ihre Lieblingsoper. Und sie kann es kaum erwarten, wieder vor Publikum zu spielen.
Wollten Sie immer Musikerin werden?
Mein Traum war Rechtswissenschaft zu studieren – aber sehr früh habe ich die Musik entdeckt. Klassisch habe ich mit Klavier angefangen und dann hat meine Mutter selber Geigenunterricht genommen, denn sie wollte Geige hobbymäßig lernen. So habe ich sie in einem Unterricht begleitet und war als Kind sofort beeindruckt und mitgerissen. Ich liebe vor allem die Brillanz und Vielfalt der Violine. Damals wusste ich nicht, wieviel Disziplin es fordert (lacht).
Ist das, was Ihnen an der Geige besonders gefallen hat? Die Vielfalt?
Genau, bereits als Jungstudentin an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf habe ich die enorme Versatilität des Instrumentes entdeckt und geliebt: die Violine-Literatur ist so breit und das Repertoire so vielfältig, dass man mit dem Instrument viele verschiedene Rollen übernehmen kann.
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg ist als Klangkörper im Konzertbereich tätig und zwar mit internationaler Anerkennung – es ist aber auch ein Repertoireorchester. Stellt dies eine besondere Herausforderung dar?
Nicht nur ist es eine Herausforderung, aber auch ein Vorteil dieses Orchesters: Zwar ist Oper das Kernstück in diesem Haus, aber wir spielen auch viele Konzerte, wo wir wirklich die Möglichkeit haben, nach Perfektion zu suchen und dadurch zu wachsen. Vor Corona war es eine richtige – auch körperliche – Herausforderung, trotz intensiver Arbeit, die Frische und Freude beizubehalten, auch wenn man an jedem Abend etwas Anderes spielt und dazwischen vormittags andere Stücke probt. Disziplin ist wichtig! (lacht)
Spielen Sie lieber Oper oder Konzert?
Die Opernwelt überhaupt habe ich erst im Studium in Berlin kennengelernt – bis dahin solistisch und kammermusikalisch beschäftigt und Orchesterkonzerte gespielt. In Berlin habe ich Konzert- und Opernhäuser besucht und bin in diese Welt eingetaucht. Hier in Hamburg habe ich Oper zum ersten Mal gespielt. Inzwischen bin ich in die Kunst der Oper verliebt. Meine Lieblingsoper ist zurzeit die Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss.
Wie gestaltet sich Ihr Corona-Alltag? Inwieweit ist Ihr Leben seit dem Lockdown anders?
Vor Corona richtete sich mein Alltag nach dem Dienstplan: man bekam den Dienstplan und schaute, wie man seinen Tag gestaltet. Deswegen war ich am Anfang des Lockdowns ein bisschen unruhig, weil mein Leben nicht so vorgegeben wurde. Inzwischen genieße ich Zeit und Ruhe zu haben, die Geige wieder in die Hand zu nehmen. Das Kammerkonzert, das ich am Anfang der Spielzeit 2020/21 gespielt habe, habe ich sehr genossen. Man wusste nicht, ob es stattfindet, aber wir waren alle sehr froh, wieder zusammen zu musizieren – vor allem vor Publikum: dieser Austausch ist uns sehr wichtig.
Wie erleben Sie als Künstlerin die Online-Konzerte?
Als wir begonnen haben, online-Konzerte zu spielen, waren wir alle am Anfang von der fehlenden Reaktion des Publikums ein bisschen irritiert, aber mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Jetzt darf ich im Dienst nur wenige Kolleg*innen von meiner ansonsten riesigen Gruppe treffen – und das nur mit Abstand. Den normalen Austausch nach dem Dienst gibt es nicht mehr. Der gemeinsame Streicherklang, der sich normalerweise ergibt, ist sehr speziell und dafür braucht man gemeinsames Musizieren, gemeinsames Atmen. Dieses Gemeinschaftsgefühl fehlt uns sehr.
Wie stellen Sie sich die Zukunft der Musiklandschaft nach Corona vor – vor allem im Hinblick auf die corona-bedingten digitalen Angebote?
Die Krise macht kreativ – Wir müssen es als Chance sehen, dass die klassische Musik frisch und relevant bleibt; deshalb sollen wir mit digitalen Angeboten weiter präsent sein. Nach der Pandemie müssen wir einen Ausgleich finden zwischen digitalen Möglichkeiten und persönlichem Zusammentreffen. Ich empfinde es als positive Entwicklung, dass Musik mittlerweile in mehreren Formaten angeboten wird: so stehen nicht nur Übertragungen von Oper und Konzert zur Verfügung, sondern zunehmend auch kreative Optionen über verschiedene soziale Medien usw. Ich bin der Meinung, dass es noch einige Zeit brauchen wird, bis sich die Situation normalisiert hat. Deshalb müssen wir dranbleiben und uns einen roten Faden suchen.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich schon auf den Tag, an dem wir Die Frau ohne Schatten im vollen Opernhaus wieder spielen (lacht).
Das Gespräch führte Savina Kationi
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