Wenn sie nicht Cellistin geworden wäre, wäre sie Ärztin – so ein Glück für die Philharmoniker, dass Saskia Hirschinger dem magischen Klang des Cellos doch folgte! Ein Gespräch mit der jungen Musikerin, die seit 2020 die Cellogruppe des Philharmonischen Staatsorchesters bereichert.
Frau Hirschinger, wollten Sie immer Musikerin werden? Haben Sie das Cello entdeckt oder es Sie?
Ich komme aus einer Musikerfamilie und ich wollte immer ein Instrument lernen. Mein Vater, der selbst Klarinettist ist, wollte, dass ich auch in diese Richtung gehe. Doch eines Tages waren wir beim „Tag der offenen Tür“ am Konservatorium in Halle, wo alle Instrumente vorgestellt wurden – seitdem wollte ich unbedingt Cello lernen. Den Klang kannte ich von Zuhause, von meinem Großvater, der auch Cellist war. Mit knapp 5 Jahren habe ich dann angefangen und auch mit ihm geübt. Ich lernte bei einer wunderbaren Lehrerin aus Russland. Zunächst war es für mich nur ein Hobby, aber ich habe es ernst genommen, an Wettbewerben teilgenommen, Meisterkurse belegt und irgendwann traf ich Prof. Wen-Sinn Yang, bei dem ich später in München studierte.
Wenn Sie nicht Cellistin geworden wären, was hätten Sie studiert?
Medizin.
Wie haben Sie es geschafft, so jung in einem so wichtigen Orchester zu landen? Ist es Glück oder Talent?
Ich glaube, da ist vieles zusammengekommen: Talent natürlich, aber Talent haben viele Menschen. Es ist auch harte Arbeit über viele Jahre. Aber im Moment des Probespiels ist es Glück: man muss der Gruppe und dem Orchester gefallen. Diejenigen, die in den letzten Runden übrigbleiben, sind alle sehr gut auf ihre Weise. Aber die Gruppe entscheidet dann, ob jemand passt – vom Klang her, von der Art zu spielen, usw. Ich bin ganz dankbar, dass die Gruppe das Vertrauen in mich hatte. Nicht zuletzt hatte ich aber immer die Unterstützung meiner Familie, meiner Freunde und meiner Lehrer*innen: in diesem Sinne ist es nicht nur meine Leistung.
Sie haben 2020 hier angefangen – eine Woche vor dem ersten Lockdown. Wie war diese Zeit für Sie?
Es war für uns alle sehr speziell. Plötzlich spielten wir in der Cellogruppe teilweise nur zu zweit besetzt und saßen allein an einem Pult mit zwei Meter Abstand, es war schwierig herauszufinden, was die Gruppe möchte – es gab keine richtige Gruppe und der gemeinsame Klang kam nicht zu stande. Zudem fehlte der soziale Aspekt: sich mit den Kolleg*innen auszutauschen, aber auch nach der Probe mal einen Kaffee trinken zu gehen. Das war zudem ungewohnt und unbefriedigend, dass wir nach dem „Konzert“ keinen Applaus bekamen. Man musste sehr vorsichtig sein, was Kontakte betraf. Wir haben uns deshalb sehr gefreut, als es seit Sommer 2021 wieder losging. Heute ist es wieder fast normal.
Wie sehen Sie die berufliche Lage der Musikerinnen in der Branche? Hatten Sie als Frau Schwierigkeiten in diesem Job?
In diesem Orchester ist die Frauenquote sehr gut, viel besser als in anderen Klangkörpern. Was ich beobachtet habe, ist, dass die Frauenquote vor allem in Führungspositionen immer noch deutlich geringer ist als die Männerquote in ähnlichen Positionen. Außerdem sind manche Instrumentengruppen männerdominierter, z. B. Blechblasinstrumente oder Schlagzeug. Aber ich habe schon im Studium gemerkt, dass sich das wandelt. Persönlich habe ich keine Benachteiligung aufgrund meines Geschlechts erfahren, aber insgesamt habe ich oft aus Erzählungen von Kommilitoninnen gehört, dass sie immer noch mehr dafür kämpfen mussten, ernst genommen zu werden. Aber es ist heute auf jeden Fall viel besser als vor einigen Jahren, als Frauen nicht mal zum Probespiel eingeladen wurden – was heute undenkbar ist.
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielt große Symphoniekonzerte, Kammerkonzerte und natürlich Oper. Was spielen Sie am liebsten?
Am liebsten spiele ich Oper, weil alles zusammenkommt: die Musik, das Bühnenbild, der Gesang. Es entstehen Momente, die man im Konzert selten so erlebt, es ist etwas Magisches. Die letzten Wochen haben wir im Rahmen der Italienischen Opernwochen wirklich schönes Repertoire gespielt. Meine Lieblingsoper ist „Manon Lescaut“ von Puccini, auch für das Cello ist es eine wunderbare Oper zu spielen. „Elektra“ ist auch sehr speziell, kraftmäßig und technisch herausfordernd.
Worauf freuen Sie sich in der nächsten Spielzeit?
Ich freue mich auf meine erste Tour mit dem Orchester und auf die Erlebnisse mit meinen Kolleg*innen.
Sie haben in dieser Spielzeit auch viel Kammermusik gespielt, in der man einen besonderen Kontakt zum Zuschauer schafft. Was möchten Sie mit Musik erzählen? Was soll der Zuschauer „mit nach Hause nehmen“?
Es ist toll, dass z. B. Kammermusik was Intimes hat, dass Musik generell Emotionen vermitteln kann. Man kann das Publikum berühren, zum Nachdenken anregen oder einfach dem Alltag mal entfliehen. Jeder empfindet Musik dabei sehr individuell.
Haben Sie musikalische Vorbilder?
Ich kann und möchte es nicht auf eine Person festlegen. Auch meine Lieblingscellist*innen haben immer wieder gewechselt. Mich inspirieren Menschen, die bis ins hohe Alter mit viel Leidenschaft und Liebe zum Instrument spielen. Das finde ich total beeindruckend, dass man diese Begeisterung im Arbeitsalltag nicht verliert. Ich möchte auch so sein.
Welches Stück spielen Sie immer wieder zum eigenen Vergnügen? Bestimmt keine Bach-Suiten!
Doch! Worauf ich immer wieder zurückkomme sind die Bach-Cellosuiten. Als Kind und danach im Studium lernt man sie, und ganz oft spüre ich das Bedürfnis Bach zu spielen. Die Musik empfinde ich dabei immer anders, je nachdem, wie es mir geht. Z. B. das Präludium der 4. Suite klingt für mich ganz anders, wenn ich traurig bin, als wenn ich gut drauf bin. Bach ist außerdem eine wichtige Konstante: wenn ich überwältigt bin von zu vielen Eindrücken, wenn zu viel passiert, ist eine Bach-Suite wie ein Ruhepunkt. Meine Nachbarn freuen sich vielleicht nicht immer – aber viel mehr, als wenn ich „Elektra“ übe. (lacht)
Nennen Sie 3 Songs, die man gerade auf Ihrer Spotify-Playlist finden kann.
Momentan tatsächlich nicht so viel Klassik. Ella Fitzgerald, „Misty“. Außerdem, „Despair, Hangover and Ecstasy“ von einer Band die ich entdeckt habe, The Dø. Und sonst Ibrahim Maalouf, einen tollen Jazz-Trompeter.
Das Gespräch führte Savina Kationi
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