Hibiki Oshima ist Stimmführerin der Zweiten Geigen des Philharmonischen Staatsorchesters, engagierte Kammermusikerin und auch solistisch unterwegs. 2010 kam die aus Japan stammende Musikerin nach Hamburg. Felix Heckhausen ist bereits seit 1995 Mitglied der Philharmoniker und spielt in der gleichen Stimmgruppe des Orchesters. Seit einiger Zeit sind die beiden nicht nur beruflich verbunden, im April haben sie geheiratet. Im Interview sprechen sie über das Beziehungsleben in einem Orchester und ihre gemeinsamen Hobbys wie etwa das Kochen.
Als Philharmoniker seid Ihr – wie Eure anderen Orchesterkollegen auch – musikalisch im Dauereinsatz: Konzerte, Ballett, Oper. Wie ist das, sich nicht nur privat, sondern auch beruflich so häufig zu sehen? Nimmt man da den Arbeitsalltag nicht auch immer mit nach Hause?
Felix Heckhausen: Man nimmt den Arbeitsalltag natürlich mit nach Hause, aber das ist doch auch ganz schön. Wir sind gerne zusammen, verbringen gerne viel Zeit miteinander. Zuhause schnappen wir uns häufig mal die Geigen und spielen Duos und machen Kammermusik.
Hibiki Oshima: Wenn wir abends mal mit einer Vorstellung unzufrieden waren, empfinden wir das sehr ähnlich und dann sprechen und diskutieren wir darüber im Auto auf dem Heimweg oder auch zuhause bei einem Gläschen Wein.
Felix Heckhausen: Meiner Meinung nach kann nichts so große Emotionen auslösen wie Musik. Das geht uns auch bei tollen Vorstellungen und Konzerten so, dass wir völlig fertig sind, weil es so schön war und das ist ein Gleichklang bei uns, eine große Bereicherung – in beide Richtungen.
Es gibt ja mehrere Paare im Orchester. Ihr beide spielt nicht nur das gleiche Instrument, sondern sogar auch noch in der gleichen Stimmgruppe. Ist das von Vorteil oder gibt es da manchmal auch „beziehungsbedingte Intonationsprobleme"?
Felix Heckhausen: Ich kenne kein Orchester, in dem es so viele Paare, Beziehungen und Verheiratete gibt wie bei uns. Wenn ich vorher drüber nachgedacht hätte, eine Beziehung mit jemandem aus dem eigenen Orchester oder derselben Gruppe mit demselben Instrument, hätte ich gesagt: hm, lieber nicht!
Hibiki Oshima: Ich hätte das früher auch nicht gedacht. Ich wollte auf keinen Fall mit einem Geiger zusammen sein – keine Ahnung, warum. Es war einfach so. Aber es ist jetzt so passiert und ich sehe keine Probleme darin. Du?
Felix Heckhausen: Ich auch nicht. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man sich gegenseitig respektiert. Dann ist es eigentlich ganz egal, was man macht. Wenn man dann das gleiche Instrument in der Gruppe spielt und Respekt vor dem andern hat, dann ist das doch wahnsinnig schön! Wir haben so viele Themen, so viel Musik, die wir lieben und uns hier auch anhören. Also heute sage ich: toll!
Ist Barock so eine gemeinsame Leidenschaft bei Euch?
Hibiki Oshima: Ja, wirklich! Kammermusik natürlich, aber besonders Barock. Ich kenne mich da eigentlich gar nicht so gut aus, habe Barockgeige nicht gelernt, aber durch Felix habe ich viel Barock kennengelernt.
Felix Heckhausen: Hibiki ist jemand, die das natürlich „richtig" macht, wenn Sie einen Barockbogen in die Hand nimmt und Barock spielt, da muss sie gar nicht drüber nachdenken. Sie macht das und das hat einfach Hand und Fuß. Andere müssen das studieren und lernen das vielleicht trotzdem nicht, und Du machst das einfach so, das ist toll!
Hast Du das auch studiert?
Felix Heckhausen: Ich habe auch Unterricht genommen neben den Studien bei meinen Lehrern Michael Gaiser in Düsseldorf und Rainer Kussmaul in Freiburg. Seit ich denken kann, war Barockmusik meine Lieblingsmusik, immer schon. Ich habe früher die alten Aufnahmen von I Musici gehört, Academy of St. Martin in the Fields, das war damals State of the art. Später habe ich Kurse bei Reinhard Göbel und anderen Barockgeigern gemacht.
Im Mai spielt Ihr im Rahmen der Reihe „Musik und Wissenschaft" ein Barockprogramm mit Werken von Corelli, Leclair, Bertali und Couperin. Wie kam das Programm zustande?
Felix Heckhausen: Die Idee war Barockmusik aus verschiedenen Epochen und Ländern abzubilden, in diesem Fall französische und italienische. Dazu gibt es einen Vortrag von einem Wissenschaftler, der sich auf Menschheitsgeschichte spezialisiert hat. Das passt inhaltlich ganz gut.
Hibiki Oshima: Wir spielen unheimlich gerne Stücke, die uns herausfordern. Diese haben wir noch nie gespielt, nur angehört und gesagt: super Musik, die müssen wir mal aufführen.
Im Dezember spielst Du im Kammerkonzert mit Deinen Kollegen Werke von Fauré, Alberto Ginastera und Joaquín Turina. Was für Musik ist das, was erwartet die Zuhörer da?
Hibiki Oshima: Das wir auf jeden Fall geil! Turina ist durch und durch spanische Musik. Und Ginastera ist das schwerste, was ich jemals gespielt hab, viel Rhythmus, musikalisch so zwischen Romantik und Moderne, das macht total Spaß mit den Kollegen Joanna, Thomas, Yuko und Anne. Felix ist diesmal leider nicht dabei.
Du stammst aus Japan und bist zum Musikstudium nach Europa gekommen, arbeitest und lebst nun schon seit vielen Jahren in Deutschland. Vermisst Du Deine Heimat?
Hibiki Oshima: Ich vermisse meine Familie, meine Eltern, meinen Großvater, der gerade 99 Jahre alt geworden ist, aber in Japan zu leben vermisse ich nicht so sehr. Wenn ich in Japan bin, freue ich mich, ich kann meine Muttersprache sprechen und ich sehe so schöne Dinge in Japan. Früher habe ich immer Heimweh gehabt. Aber meine Hauptstadt ist Hamburg. Einmal im Jahr bin ich für 3-4 Wochen in Japan, das ist kurz, aber ich freue mich dann auch immer schon wieder auf Hamburg.
Wer auf der Website des Philharmonischen Staatsorchesters Eure Biographien anschaut, der findet ganz am Ende jeweils einen kurzen Hinweis auf Eure Hobbys: Wellenreiten und Gleitschirmfliegen. Braucht man als klassischer Musiker so etwas gewissermaßen als Ausgleich?
Hibiki Oshima: Ich mache das Wellenreiten seit meiner Kindheit. Ich mag Wasser sehr, ich brauche besonders im Sommer Wasser als Ausgleich. Ich mache das aber ehrlich gesagt nur noch sehr selten. Meine Eltern hatten in Japan mal ein kleines Häuschen am Meer.
Felix Heckhausen: Wir arbeiten ja die ganze Saison durch und haben dann 6 Wochen Jahresurlaub. Und da muss ich irgendwas machen, was mich völlig wegbringt von der Geige, damit ich danach wieder mit Spaß in die neue Saison starte. Vor einigen Jahren habe ich das Gleitschirmfliegen entdeckt. Tatsächlich ist das gar keine Risikosportart. Man muss einfach verantwortungsvoll damit umgehen. Allerdings ist es immer wieder aufregend und ein Adrenalinkick ist es auf jeden Fall. Das ist einfach ein grandioses Gefühl. Man muss gucken, wie das Wetter ist, was die Leute sagen, die mehr Erfahrung damit haben und mit einer gewissen Demut daran gehen. Und wenn man Glück hat, dann gibt es Thermik und man kann 2.000 Meter aufsteigen, eine dreiviertel Stunde in der Luft sein. Manchmal ist man mit einem Greifvogel in der gleichen Thermikwolke und kann von ihm lernen. Das gehört auch dazu: das Lernen! Man lernt einfach total viel. Und das ist vielleicht auch das Besondere daran: noch etwas lernen zu können.
Eine weitere gemeinsame Leidenschaft von Euch ist Kochen und Essen...
Hibiki Oshima: Ich liebe Essen! Wirklich, egal was, ich gehe gerne Essen mit Felix und der Familie. Ich liebe das Kochen, das Schnibbeln – das ist meine Freizeit. Da muss man gar nichts denken.
Felix Heckhausen: Das wichtigste für mich ist nicht, dass ich so gerne esse, sondern dass wir so gerne zusammen essen, also mit Familie oder auch mit Gästen.
Dieses Zusammensitzen und einfach Ruhe haben, gemeinsam etwas kochen und essen – und das gerne mehrfach am Tag, am Wochenende gerne zum Frühstück und zum Abendessen, das ist für mich und für uns unheimlich wichtig. Das ist Familie und das kenn ich von zuhause. Meine Mutter hat immer gekocht. Man traf sich am Tisch. Und das ist gut.
Hibiki Oshima: Mein Vater hat immer bis Mitternacht gearbeitet und unter der Woche habe ich ihn fast nie gesehen. Aber dafür war er am Samstag für uns da. Dann hat meine Mutter gearbeitet und wir hatten Vatertag. Dass wir zu viert mit meiner Schwester am Tisch zusammensaßen, das war so selten. Daher ist das für uns so wichtig.
Felix Heckhausen: Mein Vater war Wissenschaftler und auch er hat den ganzen Tag gearbeitet, auch am Wochenende, und wir haben ihn auf häufig nur zum Essen getroffen. Mittags kam er meist nach Hause. Vielleicht ist das deswegen auch so wichtig für uns. Das ist die Konstante, wo man sich trifft und austauscht. Und das ist in unserer Patchwork-Family auch so. Die Kinder sind jetzt bei ihrer Mutter, aber heute Abend gehen wir mit ihnen zu unserem Stammitaliener.
Das Gespräch führte Hannes Rathjen
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